Freie Entfaltung der Persönlichkeit oder dumpfes Gefühl der Wehrlosigkeit ...
(08.01.2014)Seit 2007 - dem ersten Innovationsforum zum Thema MSNI in Potsdam - ist viel Wasser die abgehörte Spree hinunter geflossen. Das ganze Ausmaß der digitalen Horchinstrumente der Geheimdienste - womöglich in Kooperation mit den US-Internet-Giganten - wurde allerdings erst 2013 durch die scheibchenweise Veröffentlichung interner NSA - Dokumente klar.
Ein subjektiver Einblick zur Lage der digitalen Nation von unserem Hauptstadt-Korrespondenten Ole Roloff.

Seit 2013 täglich in den Medien, ist das Thema Datenschutz mittlerweile zum letzten Anwender durchgedrungen. Kein Wunder, dass viele in der Öffentlichkeit solcher Nachrichten müde werden. Andererseits aber wächst bei vielen das Bewusstsein für die schleichende Untergrabung freiheitlich demokratischer Grundwerte - seltsamerweise bleibt der öffentliche Aufschrei aber fast völlig aus. Trotzdem: Einige wollen etwas bewegen, wie die kürzlich veröffentlichten Petition der Schriftsteller zeigte. Und langsam bewegt sich tatsächlich was.

Das spüren auch Politik und führende Internetkonzerne. So werden in den USA z.B. immer mehr politische Stimmen laut, die eine Amnesty für Snowden befürworten - der Schaden durch weitere Veröffentlichungen für die "Sicherheit" sei zu groß. Und auch Google, Apple und Co. haben sich in einem offenem Brief an Obama gewandt: Sie fordern Beschränkungen in der Überwachung - denn ein wachsendes öffentliches Bewusstsein gefährdet ihr Geschäftsmodell: Die Benutzer so gut zu analysieren, dass sie vorhersehbar werden. So kann ihnen entsprechend zugeschnittene Werbung angeboten werden. Diese bedeutet Umsatz, sucht Werbung doch meist ein Bedürfnis, das mit dem Produkt oder dem Gefühl, das das Produkt vermitteln soll, gefüllt werden kann. Wie gut das mittlerweile funktioniert, zeigt eine neue Studie: Facebook ist in der Lage, das Ende der Beziehungen von seinen Nutzern vorherzusagen. Entsprechend könnten ihnen dann Singlebörsen angeboten werden.
Den Firmen geht es in einem offenem Brief entsprechend nicht um die Analyse selbst, sondern um sogenannte fünf "Prinzipien", die den Zugriff der Geheimdienste beschränken sollen. Dafür gibt es Hoffnung: Obama empfing sie am 18. Dezember und ein US-Verfassungsrichter sieht bei einer Klage gute Aussicht auf Erfolg.

Zarte Versuche der Analyse selbst Einhalt zu gebieten, zeigen sich hingegen wirkungslos oder entpuppen sich als Selbstvermarktung: wie z.B. der Ruf der Deutschen Telekom nach einem "Schengen-Routing", bei dem Datenpakete nur noch über solche Länder geschickt werden, die die Bedingungen zum Schutz von Daten angenommen haben. Klingt gut, aber: Gerade die Telekom verhinderte bisher das innerdeutsche Routing, indem sie sich nicht am Datenaustausch über den Frankfurter DE-CIX beteiligt, sondern stattdessen europäische und amerikanische Provider verwendet. Vom "Schengen-Routing" aber würde sie enorm profitieren - ihr gehört der Großteil der Leitungsinfrastruktur in Deutschland. Darüber müssten die Datenpäckchen der rund 250 deutschen Internetprovider dann verschickt werden - und bezahlt. Weiterhin würden die Geheimdienste sowieso keinen großen Aufwand haben, auf die abgegrenzten Datenknoten zuzugreifen: z.B. aufgrund der Zusammenarbeit mit dem BND.
Und selbst für Schutz zu sorgen ist kaum möglich: Z.B. ist das Deaktivieren von Cookies hinfällig, da Benutzer sich immer eindeutig identifizieren lassen über Browser, JavaScript und Flash: Über installierte Schriften, Bildschirmauflösung, PlugIns und anderes lässt sich so ein digitaler Fingerabdruck erstellen. Und wird davon möglichst viel deaktiviert, ist auch das ein im Vergleich zu anderen individuelles Merkmal. Zudem können Cookies auch einfach durch präparierte Mikrobilder ersetzt werden, die automatisch im Browser-Cache gespeichert werden.

Bis auf die Entscheidung, möglichst wenig an mannigfaltigen Möglichkeiten des Internets und der Verzahnung mit der eigenen virtuellen sozialem Exitenz teilzunehmen, hat der Bürger kaum eine Chance, sich gegen wirtschafltiche oder staatliche Schnüffelattacken auf individueller Ebene zu wehren. Unsere Persönlichkeit existiert als digitale Kopie in einer Welt, die demokratisch keineswegs erschlossen ist - vielmehr scheinen hier die humanitären Rahmenbedingungen der Steinzeit zu gelten. Soll heissen, es fehlt die vollständige Ausprägung normativ-ethischer Vorgaben der virtuellen Stammesgesellschaften.

Es wird Zeit, dass sich etwas tut. Hoffentlich müssen wir nicht auf eine Art virtuelle Antike waren. Bewegen wir uns lieber jetzt.(or/ju)


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Das Projekt "Mobile semantische Navigation und Information" -MSNI - wird gefördert durch die Innovationsinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für die Neuen Länder.